Samstag, 31. Oktober 2009

ganz offen und ganz ehrlich

es war ein harter tag für sie im thüringer landtag und dass christine lieberknecht der so naheliegende vergleich zur tragödie von heide simonis in schleswig-holstein nicht behagt - geschenkt. anders als beim fall ihrer spd-kollegin steht bei ihr das stolpern ja auch am anfang der amtszeit.

am abend hörte ich sie in einem interview mit steffen seibert vom heute-journal. sichtlich gelassen spricht die erste unions-ministerpräsidentin über die niederlagen in den ersten beiden wahlgängen, als mindestens vier abgeordnete der großen-koalition ihr die stimme versagten:

es war eine geheime Wahl und man darf sich ja auch nicht wundern, bei den turbulenzen ... dass dann in einer geheimen Wahl, die im übrigen ja die einzige konstitutive hürde für die neue landesregierung bedeuten, hier auch der eine oder andere ein ehrliches kreuzchen in der wahlkabine macht, weil er sich ja vielleicht doch noch nicht ganz mit der koalition im inneren abfinden kann, ich finde das so verwunderlich nicht.

festzuhalten sind zwei worte: geheim und ehrlich. aber weiter mit dem zitat:

...wir haben jetzt eine solide basis und auf dieser basis können wir politik im thüringer landtag gestalten, die im übrigen ja auch, was die gesetzesvorhaben betriftt in absoluter transparenz und offenheit miteinander ausgetragen wird und wo offen über die gesetzesvorhaben der landesregierung abgestimmt wird.

und wieder sind es zwei worte: offen und abgestimmt.

muß ich nun zwangsläufig daraus schließen, dass christine lieberknecht das votum in einer offenen abstimmmung für nicht ehrlich hält und geheime wahlen als unsolide basis für gesetzesvorhaben empfindet? für wie feige hält sie denn ihre fraktions-kolleginnen und kollegen, wie sie wohl sagen würde, und wie zufrieden und zuversichtlich macht sie das für ihre amtsführung? nach dieser logik muß sie ja nun keine angst mehr vor überraschungen bei abstimmungen haben. und das sagt sie einfach so, ganz offen und ganz ehrlich.

interessantes verständnis von demokratie, politik und volksvertretern.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

nicht mal koffie im coffee-shop

er hockte mit heruntergelassener hose tief im gebüsch an der mauer. dass die beamten ihn entdeckt haben war ein zufall. eine streife hatte ein paar stunden vorher einen geruch wahrgenommen, wie er bei der produktion von amphetaminen entsteht. deshalb waren die beiden polizisten in diese ecke von kerkrade an der deutsch-niederländischen grenze gekommen, deshalb war einer von ihnen in den grünstreifen gekrochen und deshalb hatte der junge mann aus koblenz nun ein problem.


dass päckchen mit der portion heroin hatten sie schnell gefunden, die spritze, die er hastig unter dem laub verscharrt hatte. vielleicht hatte er sich wirklich erleichtern wollen, aber bestimmt nicht nur. er mußte sich schließlich ausziehen, sie durchsuchten seine kleidung, seine schuhe, sie legten ihm handschellen an und einer der beiden half ihm dann in die sneaker, die er alleine nicht mehr anziehen konnte wegen der fessel. dann gingen wir zurück zum weg, zum parkplatz und ein anderes team der deutsch-niederländischen fahndungsgruppe holte ihn ab. die suche nach der rauschgift-fabrik wurde verschoben.

dann muß es sich lohnen

das sind situationen, die ich in einem film nicht zeige; das sind aber auch situationen, die ich nicht vergesse wegen ihrer schamerfüllten intimität und vielleicht wegen der hoffnungslosigkeit, für die sie stehen. ob er sich ein drogenpäckchen in den darm einführen wollte, um es nach deutschland zu schmuggeln, wieviel der junge mann aus rheinland-pfalz tatsächlich gekauft hatte oder was er sonst wollte in kerkrade an diesem tag haben die beamten nicht erfahren. die kleine menge drogen, die sie bei dem mann fanden, reichte gerade mal für eine feststellung der personalien und ein paar stunden im gewahrsam. wenn aber ein abhängiger achtzig euro für ein bahnticket von koblenz nach kerkrade ausgibt, dann geht es nicht um eine tagesration dope. dann geht es um mehr, denn dann muß es sich lohnen. wer drogen aus holland importiert handelt nach einer einfachen regel: je weiter der weg, umso größer der gewinn, umso lohnender das risiko; so einfach ist es.


das sind aber auch situationen die ein schlaglicht werfen auf das drogenproblem der niederlande und die frage, wie sie den geist, der mit dem rauch aus den coffee-shops aufstieg und nun schwer über dem land hängt, wieder in die flasche kriegen. in dem umfeld der legalen cannabis-theken hat sich eine szene etabliert, in der längst alles zu bekommen ist, weil organisierte banden längst mit allem handeln, nicht nur mit hanf-produkten.

drug-runners nennen sie die niederländer

wer in den niederlanden in grenznähe auf öffentlichen parkplätzen, vor manchen schnellimbissen oder auf rastplätzen in einem auto mit deutschem kennzeichen nur lange genug sitzenbleibt und überzeugend aussieht, muß nicht lange warten, bis er angesprochen wird. drug-runners nennen die niederländer diese dealer. sie bieten heroin, kokain oder größere mengen cannabis an. nach der bestellung übergeben sie die ware kurze zeit später an einem anderen ort. in maastricht zwangen die dealer ausländische wagen mit ihren autos sogar zum anhalten und versuchten drogen an die insassen zu verkaufen. wer nicht wollte, wurde beschimpft. zwischen rivalisierenden banden gab es unfälle mit drei toten. schließlich holte die polizei bei einer razzia (siehe vj-projekt - grenzenlose drogenjagd) zum schlag gegen die banden aus.


dabei hatte es doch so nett angefangen: lokale cannabis-konsumenten sollten sich legal mit softem rauchwerk versorgen können, ohne kriminalisiert zu werden oder ihre deals in dunklen gassen abwickeln zu müssen. fünf gramm pro einkauf - eine schelmische mengenbegrenzung: eindeutig zuviel, um es ohne schaden direkt zu konsumieren, was eigentlich vorgeschrieben ist, eindeutig zu teuer, um es zurückzulassen. deshalb gibt's – obwohl verboten - natürlich verpackungsmaterial für den heimweg, doggie-bags fürs dope. die menschen zwischen maas und nordsee sind pragmatisch. nur ausländer verirrten sich schonmal auf der suche nach einem heißgetränk - schließlich sind die niederlande auch dafür bekannt - in die schwer duftenden läden. kaffee heißt koffie und den gibt's im café, erklärte mir gerade ein nette polizistin aus maastricht, coffee sei zum rauchen da.

aber diese charmante konstruktion hatte eine krude kehrseite. anbau, handel und transport größerer mengen als der für den eigenbedarf blieben verboten. und damit war die voraussetzung für kriminelle organisationen geschaffen, die sich eben genau darum kümmern und sich gut bezahlen lassen.

wunder - täglich, vielerorts

ein fahnder erzählte mir mal vom gespräch mit einem kofie-shop-betreiber. jeden morgen, habe der ihm gesagt, falle ein päckchen haschisch vom himmel, exakt 500 gramm schwer, denn mehr darf er nicht im laden haben. wenn das dann nach ein paar stunden verkauft ist, geht er erneut vor die tür und wieder falle ein paket aus den wolken, direkt vor seine füsse. mit einem augenzwinkernden wegsehen wurden dieses sich alltäglich und vielerorts wiederholende wunder hingenommen und alle machten gute geschäfte. sogar die gemeinden profitierten, denn sie nahmen steuern vom verkauf von haschisch oder marihuana ein, die kofie-shops schufen arbeitsplätze.



doch dann änderte sich die haltung: denn diejenigen, die mit krimineller energie und  kaltblütigkeit die illegalen cannabis-plantagen betrieben und indischen hanf zu einem hochpotenten gewächs mit vielfacher wirkstoffmenge hochzüchteten, erzielten große gewinne. damit „infiltrierten“ diese strukturen die legale wirtschaft, wie es han polman, bürgermeister von bergen op zoom, ausdrückt. in heerlen, maastricht oder venlo, sagen insider, gibt es ganze straßenzüge, die mit drogengeld gekauft wurden. dieses geld drohe die gesamte ökonomie zu verändern. dies und das schlechte vorbild für die jugend, die sehe, wie schnell sich mit kriminalität geld verdienen lasse, gefährde die öffentliche sicherheit, sagt han polman. in seiner stadt und in einer nachbargemeinde sind die coffeeshops nun geschlossen worden. 25000 drogentouristen pro woche waren es, jetzt sind die läden unten. in limburg-süd sollte ausländern der einkauf in den coffee-shops verboten werden, deren betreiber klagten. 2011, so heißt es, sei mit einem urteil zu rechnen.

dass könnte eine maßnahme sein

das ziel bleibt, sagt wim frenken von der polizei in maasricht, „buitenlanders“ den einkauf zumindest so zu erschweren, dass lange anreisen für sie nicht mehr attraktiv sind. drei statt fünf gramm höchstmenge pro einkauf und tag, eine art clubkarte, die mindestens einen tag vor dem ersten einkauf erworben werden muß und danach bei jedem besuch vorzulegen sei – dass könnte eine maßnahme sein, um zu verhindern, dass kunden einfach von einem zum anderen coffee-shop wechseln und so mehr zusammenbekommen. denjenigen, der gar nicht erst ins coffee-shop geht sondern beim drug-runner seiner wahl einkauft wird diese maßnahme nicht erreichen.

seit einigen jahren schon fahndete die niederländische polizei gezielt nach hanfplantagen, großen in hallen oder mitten in maisfeldern, kleinen in wohnungen, kellern oder unterm dach. seit die frage, ob die unverletzlichkeit des privaten erhalten bleibt mit ja beantwortet wurde, darf auch ein cannabis-copter, ein unbemannter klein-hubschrauber, mit seinem bis zu 40 meter langen schlauch aus der luft an luftschächten schnüffeln. meistens aber genügt eine kontrolle des stromverbrauchs in der gegend. wo der ansteigt wächst das kraut unter kilowatt-leuchten.

das fertige produkt zurück nach westen

als folge davon verlegten die hanfzüchter ihre plantagen ins benachbarte ausland – het waterbed-effect sagt ein niederländische polizist, verdrängung. da wurde auch schon mal in einer ruhigen gegend in einem neusser vorort ein ganze wohnung zur züchtung angemietet, und selbst eine ältere dame am niederrhein sagte ja zum rundum-sorglos paket in der liebevoll ausstaffierten mühle: aufbau des automatisierten indoorgewächshauses mit lampen, lüftung, bewässerung, elektroinstallation, lieferung der setzlinge, ernte – alles aus einer hand, quasi wie bei der hähnchenmast. und wie bei der ging das fertige produkt zurück nach westen oder wurde - wahrscheinlich eher seltener - von der deutschen polizei entdeckt.


ob die verschärfte gangart in den niederlanden erfolg haben wird – abwarten. welche auswirkungen sie für die nachbarländer haben wird – kaum abzusehen.

wer aber heute nach roosendaal in nordbrabant kommt kann nicht nur nicht mehr ins coffee-shop – die sind dort nämlich auch geschlossen. er erlebt auch eine neue seite der gastgeber. an den zufahrtstaßen stehen leuchtschrifttafeln. bislang stand dort ein willkommensgruß. heute heißt es: het gedogen is voorbij (die duldung ist vorbei), courage – und die steht für eine fast grimmige entschlossenheit.

das vj-projekt kampf dem hanf in den niederlanden ist noch kurze zeit in der wdr-mediathek zu sehen.

Freitag, 23. Oktober 2009

herrgottsbscheisserle

die schwäbische maultasche schwimmt nun quasi auf augenhöhe mit dem champagner in ihrer brühe: die europäische union schützt mit der anerkennung der teigware als regionale spezialität aber auch einen fall des betrugs. es ist schon einige jahre her, als mir eine liebe kernschwäbische verwandte erzählte, dass das, was so asketisch daherkommt, eigentlich der versuch sei, fastenge- und fleischver-bote zu umgehen. wahrscheinlich wiedermal mönche, diesmal aus - kann man sich das ausdenken? - maulbronn hatten die idee, das brät nicht nur durch beigaben zu einer grünlich-grauen masse zu vermischen, sondern es auch noch in einer teigtasche zu verbergen, damit wirklich niemand, wenn er von oben draufsieht auf den verstoss käme. dann drehte sie den kopf, sah mich mit einem hintersinnigen blick an und sagte: deshalb heißen sie auch "herrgottsbscheisserle."

und allein dafür - das denke nun ich - sei alles verziehen.

Donnerstag, 22. Oktober 2009

gelächelte weisheit

heute habe sie nur 62 prozent erreicht, sagte die junge frau und ich verpasste vor verblüffung die abfahrt. nur 62 prozent von ihrem lächeln schenkte die japanerin an jenem morgen den mit dem unternehmen keihin kyuko reisenden. lächeln aber sei wichtig, sagte ihr chef, denn dann fühle sich der zuggast sicherer; außerdem wolle der kunde keine stimmungsschwankungen beim dienstleister und deshalb sei der smilescan ein rundum nützliches instrument. entlassen werde niemand, wenn die elektronische abtastung des gesichts einen niedrigen wert anzeigt. die junge frau findet die gesichtskontrolle gut, erzähltre sie dem interviewer, denn ein freundlicher mensch sei ja ein angenehmerer mensch und so arbeitet sie im bahnhof gern an ihren zügen.

schon interessant, die asiaten. vielleicht war ich auch deshalb so empfänglich für den radiobeitrag auf wdr5, weil ich mich gerade mit den 36 strategemen und dem zusammenhang zwischen alter chinesischer kriegskunst, deutschen großprojekten sowie dem aufeinandertreffen der kulturen beschäftigt hatte. es ging um das world conference center in bonn und - inspiriert durch einen beitrag im bonner generalanzeiger - um das gebaren asiatischer manager und geschäftsleute im beschriebenen historischen kontext. klingt irrsinnig klug, wer aber "ghost dog" von jim jarmusch gesehen hat wird milde lächeln. in diesem großartigen film lebt ein genauso großartiger forest whitaker als auftragskiller nach den regeln des hagakure, eines textes von einem samurai für andere samurai. der ist mitunter sehr bildhaft und stylisch; sogar ulrike folkerts zitierte einmal - nach meiner erinnerung - als karate-kämpfende kommissarin odenthal im tatort, dass fische allzu klares wasser meiden.

manche regeln - wie jene, täglich an den tod zu denken und sich vorzustellen, wie man zerstückelt oder von pfeilen durchbohrt wird - sind irgendwie seltsam, andere - wie bedingungslose loyalität - eher romantisch. gleichwohl aber finden sich viele anregende gedanken ("dinge von großer bedeutung sollte man gelassen angehen, dinge von geringer bedeutung mit ernsthaftigkeit" - so ungefähr). ähnlich verhält es sich mit den 36 strategemen, einer chinesischen zitatensammlung, um die als schlüssel zum erfolg ein bißchen viel, wie ich finde, gedöns gemacht wird. mancher spruch läßt sich problemlos mit volksweisheiten übersetzen ("der pflaumenbaum verdorrt anstelle des pfirsichbaums" klingt vielleicht besser als "ein bauernopfer bringen"; ob ich aber "mit leichter hand das schaf wegführe" oder "die gelegenheit beim schopfe packe" bleibt sich gleich). anderes ist die hohe schule der list für den kleinen oder großen imperator ("einen weg für einen angriff gegen guo ausleihen" etwa steht für eine eigenartige dankbarkeit: der transitgeber wird auf dem rückweg nach erfolgreicher schlacht einfach miterobert).

wie ich lernte, liegt hier eines der mißverständnisse zwischen den kulturen: der listige gilt etwa in china als weise, list ist ausdruck der könnerschaft; wer das nicht weiß und nicht selbst versucht, das beste herauszuholen, gilt vielleicht sogar als amateur; hierzulande ist das anders und dann droht, wie im fall des wccb, ein böses erwachen. wahlweise können westliche manager oder verhandlungsführer ja auch kurse belegen, in denen sie lernen a) mit den besonderheiten asiatischer verhandlungskunst umzugehen oder b) diese gleich selbst anzuwenden.

mehr noch als die bebilderung der strategeme und die zuordnung zum geschehen beschäftigte mich aber die frage, wie ein solcher beitrag aussehen muß, damit er aber auch überhaupt nicht als rassistisch mißverstanden werden kann. nach einer wortwörtlich durchwachten nacht (manche wichtigen dinge kann ich dann doch nicht gelassen erledigen) war mir klargeworden, wie fremd mir der gegenstand dieses beitrags tatsächlich ist, dass ich nicht urteilen, nicht verurteilen und schon gar nicht entschuldigen darf, sondern dass sich respekt nur im respektieren und anerkennen der andersartigkeit zeigt, selbst wenn ich sie nicht verstehe. sebastian kelbling, der selbst viele jahre in asien gelebt hat und bundesbedienstete aber auch firmenvertreter mit den eigenheiten und mentalitäten des fernen ostens vertraut macht, spricht in dem film vom "wertschätzenden vergleich". mag ja sein, dass gerichte irgendwann tatsächlich rechtsbruch feststellen; er aber glaubt, dass fehler schon gemacht wurden, bevor verträge unterzeichnet waren und ich bin geneigt ihm zu glauben.

denn ein volk, dass mittels einer maschine die intensität des lächelns in prozent-punkten messen und an ihr arbeiten kann scheint mir weit voraus.


über den smilescan berichtete auch die süddeutsche zeitung

den beitrag über die 36 strategeme gibt es in der
wdr-mediathek , der gegenstand ist mal wieder in wikipedia beschrieben.

hier ist der link zum einstieg in die wirklich gut recherchierten berichte um das world confernce center im bonner generalanzeiger

Montag, 12. Oktober 2009

die andere seite

sie hatte gefragt, wie es war, und ich wollte nicht lügen, sie hatte es mir ja auch längst angesehen: erniedrigend, sagte ich, es war erniedrigend. das also war das ausgleichs-training („du stellst kein rad ins wohnzimmer!“) und so blickte ich jetzt nicht von der aschenbahn im vorbeilaufen in die schwmmhalle; jetzt sah ich hinaus.

die fußstellung, von der der schwimm-meister sprach, kannte ich schon. sie sei nötig, wollte ich kraulen lernen, meinte er. im behandlungsraum des orthopäden wurde den menschen dagegen hoffnung auf heilung gemacht. das plakat an der wand zeigte fehlstellungen des fusses, diese hieß sichelstellung – und sollte der schlüssel zur speed und rechten lage im wasser sein? es war verstörend, doch ich ließ mir die beunruhigung nicht anmerken.


konstruktiv und einsichtig hatte ich um schwimmhilfen gebeten, mit denen ich üben wollte, weil brustschwimmen ja so auf die knie geht. sehr gut, meinte der schwimm-meister, das schaumstoffbrett müsste ich an fast ausgestreckten armen vor mir halten und dann mit den beinen aus der hüfte schlagen. es sei normal, wenn es nicht gleich klappt. außerdem mache der beinschlag nur etwa zehn prozent aus.

diese zehn prozent entsprechen in meinem fall wohl ziemlich genau der strömung, die durch die filteranlage im becken verursacht wird. sobald nämlich das wasser die energie des abstoßes vom beckenrand aufgenommen hatte, verharrte ich beinschlagend auf der stelle. manchmal, da bin ich mir wegen der position zum kachelmuster ziemlich sicher, ging es sogar rückwärts.

aber männer, die ihre schwächen nicht verbergen, bekommen beistand; so meinte ich bei der brustschwimmerin einen hauch von anerkennung ausgemacht zu haben, als sie mich das erste mal passierte: da steht einer zu seinem unvermögen, arbeitet hart, respekt! beim zweiten mal wirkte der blick dann aber schon eher amüsiert, beim dritten mal genervt und dann - sie schwamm ihre vierte runde während ich mich noch an der einen bahn abarbeitete - irgendwie angewidert. nun trug sie eine schwimmbrille, und ich kann mich ja irren, vielleicht war ich auch einfach nur im weg.

aber bitte, ich war guten willens. mit gelegentlichem scherenschlag schummelte ich mich über die 25-meter-bahn. abstossen, beinschlag, treiben, scherenschlag, beinschlag, treiben usw.. ich hatte zeit. einmal, zwischen all den überlegungen wie ich anders, besser und endlich mal - die sichelstellung korrigierend - überhaupt vorwärtskomme, dachte ich noch: so müssen sich männer fühlen, die gemüse grillen oder lehrer, die völkerball mit softbällen spielen lassen, irgendwie so ... überlegen!

dann hörte ich den dialog zwischen einer mutter und deren tochter, die ohne schwimmhilfe ins becken wollte auf den langen letzten beiden metern vor der wende „du musst doch erst noch lernen,“ sagte die frau zum kinde, „das ist doch nicht so schlimm. guck mal, der mann da, der kann das auch nicht.“ ich mogelte mich (siehe oben) an den beckenrand, legte beherrscht das brett auf denselben, klemmte mir die schaumstoffrollen (pullboy) zwischen die beine und machte mich mit 90 prozent vortrieb aus dem armzug davon. wechselatmung immer nach drei zügen – „das,“ sagte eine inzwischen am beckenrand stehende schwimm-meisterin, als ich pausierte, „das sieht ja schon ganz gut aus“. ergeben griff ich wieder zum schwimmbrett,

„ist ja auch nicht leicht,“ sagte der schwimm-meister, als ich so nach einer stunde zu ihm ging, „das kann schon ein paar monate dauern; allein die atmung, jaja.“ dann nahm er die schwimmhilfen. doch bevor er sie wegbrachte sah er mich an; ich meine, er hätte ja nichts sagen müssen oder etwas wie "was machen sie denn sonst?" sagen können - aber er sah mich nur kurz musternd an und meinte: „läufer, hm?!“

die 20er-karte für das hallenbad ist ein echtes schnäppchen. nur 2,40 statt 3,30 pro besuch – und dann auch noch mit guten ratschlägen – also, dass ist doch ein fairer preis, oder?


Dienstag, 6. Oktober 2009

strahlende zukunft

die ersten diskussionen über gebrochene wahlversprechen führten wir schon am tag nach dem 27. september. meinung damals: vielleicht doch etwas zu früh, um zu urteilen? nun sind neun tage verstrichen und weder unsere erkenntnis noch die koalitionsverhandlungen sind bedeutend weiter, in der tageszeitung wird moniert, dass union und liberale keine botschaft haben, kein wohin, kein warum und auf fragen nach dem termin der steuerreform aggressiv schweigen; inzwischen liegt deutschland weltweit nur noch auf platz 22 in punkto lebensqualität.

dabei geht es mit sicherheit nicht um die landesküche, sonst hätte norwegen es niemals auf platz eins, die niederlande auf rang sechs und sogar noch großbritannien eine position vor uns geschafft es geht auch auch nicht um den freien zugang zu meer und strand, denn dann lägen wir vor der schweiz. der human development index (hdi) der vereinten nationen wird aus vielen bausteinen gebildet, basiert auf daten, die zwangsläufig bereits vor einigen jahren erhoben wurden und bildet damit naturgemäß genügend angriffsfläche für polemik. also zu den fakten: interessanterweise gelten in den meisten ländern im ranking vor der bundesrepublik gesetzliche mindestlöhne, branchenregelungen in den meisten bereichen oder absprachen zwischen übergreifenden arbeitgeber- und arbeitnehmerverbänden. manche davon (siehe unten) würden manchem vollzeit-arbeitnehmer mit hartz-IV-zuschuss tränen in die augen treiben. bislang aber ist nur deren schweigen zu vernehmen, zum hdi im besonderen, denn der ist ja gerade erst veröffentlicht worden, und zur bundestagswahl im allgmeinen.

andere hingegen haben sich geäußert, da war die tinte auf dem offziellen wahlergebnis noch gar nicht trocken: zahnärztevertreter und atomkraftwerksbetreiber hatten es schon am montagmorgen in die hörfunknachrichten geschafft und äußerten ihre forderungen für eine bessere welt. von mindestlöhnen war nicht die rede; aber - soviel trost muß sein - geht es da ja zumindest auch irgendwie um eine strahlende zukunft.


hdi-ranking (mindestlöhne in klammern): 1. norwegen (branchenregelungen), 2. australien (7,65 € pro stunde), 3. island (branchenregelungen), 4. kanada (max. 5,66 €), 5. irland (1.462 € pro monat), 6. niederlande (1.335 €), 7. schweden (branchenregelungen), 8. frankreich (1.280 €), 9. schweiz (in der diskussion), 10. japan (branchen- und regionenspezifisch), 11. luxemburg (1.570 €), 12. finnland (branchenregelungen), 13. usa (696 €), 14. österreich (über sozialpartner), 15. spanien (700 €), 16. dänemark (branchenregelungen), 17. belgien (1.309,6 €), 18. italien (branchenregelungen), 19. liechtenstein (über sozialpartner), 20. neuseeland (6,25 €), 21. großbritannien (1.222,5 €), 22. deutschland (wenige branchen)...

Freitag, 2. Oktober 2009

wieso denn der?

es gibt viele eindrücke, viele meinungen vielleicht auch mehrere wahrheiten, bevor es jetzt aber philosophisch wird - schnell zu roman polanksi. eigentlich ja ist der ganze vorgang nun wirklich kaum der rede wert, aber gerade las ich folgendes: die festnahme schade den ohnehin schwächelnden züricher filmfestspielen "und der entstandene negative Ruf wird jetzt immer im Ohr sein" schreibt der/die "share" unter der überschrift "Verhaftung - Skandal". share schrieb in einem schweizer studentenforum, aber das zitat reiht sich ein in so manche stellungnahmen der eliten, die in der sache mindestens so verbissen und bösartig sind, wie sie es der us-justiz unterstellen.

vielleicht hilft ja ein blick auf die fakten: ein alter mann sitzt wegen eines ungesühnten verbrechens nach über 30 jahre langer flucht vor der justiz in haft und kämpft gegen seine auslieferung in das land, in dem er die straftat begangen hat. reue in einem straftprozessualen sinn hat er nicht gezeigt, sonst hätte er sich einem urteil gestellt. wieso also milde?

nun ist freiheitswille eigentlich nichts, was man einem flüchtigen vorwerfen kann; eine erfolgreiche flucht durch strafaussetzung oder -verzicht aber auch noch zu belohnen, ist doch etwas viel verlangt. und außerdem: wer zieht wo die grenze? darf ein dieb mehr als ein vergewaltiger als ein mörder? vor allem aber: wer darf was ?

dabei ist es eigentlich auch egal, ob ein opfer vergibt; die gründe dafür mögen vielschichtig sein, respektabel aber eben persönlich. den anspruch der gesellschaft auf bestrafung der verletzung ihrer grenzen tilgt das pardon nicht, es kann berücksichtigt werden, muß aber nicht. zu recht, zumal es ja auch auf vielfältige weise bis hin zur bedrohung entstanden sein kann. und ungleichheit entsteht zudem, wenn der eine die mittel oder den willen hat, seine vergebung zu erreichen, und der andere eben nicht (soviel zur schönen theorie).

es ist eine falsch verstandene solidarität und ich frage mich schon nach den gründen, warum nicht wenige aus dem film- und show-geschäft dafür eintreten, die rechtsordnung für einen der ihren auf den kopf zu stellen. cui bono? justitias blindheit ist kein handicap sondern grundlage unserer inneren ordnung: ohne ansehen der person.

sein damaliges opfer übrigens scheint mit dem ganzen hype gut zurechtzukommen. es hätte ja auch anders sein können. eine frage aber stellt sich mir fast beiläufig: was machte ein 13jähriges mädchen auf so einer party, wie kommt es dahin und wieso hat keiner auf es aufgepasst? darauf aber wird es keine antwort geben.