er hockte mit heruntergelassener hose tief im gebüsch an der mauer. dass die beamten ihn entdeckt haben war ein zufall. eine streife hatte ein paar stunden vorher einen geruch wahrgenommen, wie er bei der produktion von amphetaminen entsteht. deshalb waren die beiden polizisten in diese ecke von kerkrade an der deutsch-niederländischen grenze gekommen, deshalb war einer von ihnen in den grünstreifen gekrochen und deshalb hatte der junge mann aus koblenz nun ein problem.
dass päckchen mit der portion heroin hatten sie schnell gefunden, die spritze, die er hastig unter dem laub verscharrt hatte. vielleicht hatte er sich wirklich erleichtern wollen, aber bestimmt nicht nur. er mußte sich schließlich ausziehen, sie durchsuchten seine kleidung, seine schuhe, sie legten ihm handschellen an und einer der beiden half ihm dann in die sneaker, die er alleine nicht mehr anziehen konnte wegen der fessel. dann gingen wir zurück zum weg, zum parkplatz und ein anderes team der deutsch-niederländischen fahndungsgruppe holte ihn ab. die suche nach der rauschgift-fabrik wurde verschoben.
dann muß es sich lohnen
das sind situationen, die ich in einem film nicht zeige; das sind aber auch situationen, die ich nicht vergesse wegen ihrer schamerfüllten intimität und vielleicht wegen der hoffnungslosigkeit, für die sie stehen. ob er sich ein drogenpäckchen in den darm einführen wollte, um es nach deutschland zu schmuggeln, wieviel der junge mann aus rheinland-pfalz tatsächlich gekauft hatte oder was er sonst wollte in kerkrade an diesem tag haben die beamten nicht erfahren. die kleine menge drogen, die sie bei dem mann fanden, reichte gerade mal für eine feststellung der personalien und ein paar stunden im gewahrsam. wenn aber ein abhängiger achtzig euro für ein bahnticket von koblenz nach kerkrade ausgibt, dann geht es nicht um eine tagesration dope. dann geht es um mehr, denn dann muß es sich lohnen. wer drogen aus holland importiert handelt nach einer einfachen regel: je weiter der weg, umso größer der gewinn, umso lohnender das risiko; so einfach ist es.
das sind aber auch situationen die ein schlaglicht werfen auf das drogenproblem der niederlande und die frage, wie sie den geist, der mit dem rauch aus den coffee-shops aufstieg und nun schwer über dem land hängt, wieder in die flasche kriegen. in dem umfeld der legalen cannabis-theken hat sich eine szene etabliert, in der längst alles zu bekommen ist, weil organisierte banden längst mit allem handeln, nicht nur mit hanf-produkten.
drug-runners nennen sie die niederländer
wer in den niederlanden in grenznähe auf öffentlichen parkplätzen, vor manchen schnellimbissen oder auf rastplätzen in einem auto mit deutschem kennzeichen nur lange genug sitzenbleibt und überzeugend aussieht, muß nicht lange warten, bis er angesprochen wird. drug-runners nennen die niederländer diese dealer. sie bieten heroin, kokain oder größere mengen cannabis an. nach der bestellung übergeben sie die ware kurze zeit später an einem anderen ort. in maastricht zwangen die dealer ausländische wagen mit ihren autos sogar zum anhalten und versuchten drogen an die insassen zu verkaufen. wer nicht wollte, wurde beschimpft. zwischen rivalisierenden banden gab es unfälle mit drei toten. schließlich holte die polizei bei einer razzia (siehe vj-projekt - grenzenlose drogenjagd) zum schlag gegen die banden aus.
dabei hatte es doch so nett angefangen: lokale cannabis-konsumenten sollten sich legal mit softem rauchwerk versorgen können, ohne kriminalisiert zu werden oder ihre deals in dunklen gassen abwickeln zu müssen. fünf gramm pro einkauf - eine schelmische mengenbegrenzung: eindeutig zuviel, um es ohne schaden direkt zu konsumieren, was eigentlich vorgeschrieben ist, eindeutig zu teuer, um es zurückzulassen. deshalb gibt's – obwohl verboten - natürlich verpackungsmaterial für den heimweg, doggie-bags fürs dope. die menschen zwischen maas und nordsee sind pragmatisch. nur ausländer verirrten sich schonmal auf der suche nach einem heißgetränk - schließlich sind die niederlande auch dafür bekannt - in die schwer duftenden läden. kaffee heißt koffie und den gibt's im café, erklärte mir gerade ein nette polizistin aus maastricht, coffee sei zum rauchen da.
aber diese charmante konstruktion hatte eine krude kehrseite. anbau, handel und transport größerer mengen als der für den eigenbedarf blieben verboten. und damit war die voraussetzung für kriminelle organisationen geschaffen, die sich eben genau darum kümmern und sich gut bezahlen lassen.
wunder - täglich, vielerorts
ein fahnder erzählte mir mal vom gespräch mit einem kofie-shop-betreiber. jeden morgen, habe der ihm gesagt, falle ein päckchen haschisch vom himmel, exakt 500 gramm schwer, denn mehr darf er nicht im laden haben. wenn das dann nach ein paar stunden verkauft ist, geht er erneut vor die tür und wieder falle ein paket aus den wolken, direkt vor seine füsse. mit einem augenzwinkernden wegsehen wurden dieses sich alltäglich und vielerorts wiederholende wunder hingenommen und alle machten gute geschäfte. sogar die gemeinden profitierten, denn sie nahmen steuern vom verkauf von haschisch oder marihuana ein, die kofie-shops schufen arbeitsplätze.
doch dann änderte sich die haltung: denn diejenigen, die mit krimineller energie und kaltblütigkeit die illegalen cannabis-plantagen betrieben und indischen hanf zu einem hochpotenten gewächs mit vielfacher wirkstoffmenge hochzüchteten, erzielten große gewinne. damit „infiltrierten“ diese strukturen die legale wirtschaft, wie es han polman, bürgermeister von bergen op zoom, ausdrückt. in heerlen, maastricht oder venlo, sagen insider, gibt es ganze straßenzüge, die mit drogengeld gekauft wurden. dieses geld drohe die gesamte ökonomie zu verändern. dies und das schlechte vorbild für die jugend, die sehe, wie schnell sich mit kriminalität geld verdienen lasse, gefährde die öffentliche sicherheit, sagt han polman. in seiner stadt und in einer nachbargemeinde sind die coffeeshops nun geschlossen worden. 25000 drogentouristen pro woche waren es, jetzt sind die läden unten. in limburg-süd sollte ausländern der einkauf in den coffee-shops verboten werden, deren betreiber klagten. 2011, so heißt es, sei mit einem urteil zu rechnen.
dass könnte eine maßnahme sein
das ziel bleibt, sagt wim frenken von der polizei in maasricht, „buitenlanders“ den einkauf zumindest so zu erschweren, dass lange anreisen für sie nicht mehr attraktiv sind. drei statt fünf gramm höchstmenge pro einkauf und tag, eine art clubkarte, die mindestens einen tag vor dem ersten einkauf erworben werden muß und danach bei jedem besuch vorzulegen sei – dass könnte eine maßnahme sein, um zu verhindern, dass kunden einfach von einem zum anderen coffee-shop wechseln und so mehr zusammenbekommen. denjenigen, der gar nicht erst ins coffee-shop geht sondern beim drug-runner seiner wahl einkauft wird diese maßnahme nicht erreichen.
seit einigen jahren schon fahndete die niederländische polizei gezielt nach hanfplantagen, großen in hallen oder mitten in maisfeldern, kleinen in wohnungen, kellern oder unterm dach. seit die frage, ob die unverletzlichkeit des privaten erhalten bleibt mit ja beantwortet wurde, darf auch ein cannabis-copter, ein unbemannter klein-hubschrauber, mit seinem bis zu 40 meter langen schlauch aus der luft an luftschächten schnüffeln. meistens aber genügt eine kontrolle des stromverbrauchs in der gegend. wo der ansteigt wächst das kraut unter kilowatt-leuchten.
das fertige produkt zurück nach westen
als folge davon verlegten die hanfzüchter ihre plantagen ins benachbarte ausland – het waterbed-effect sagt ein niederländische polizist, verdrängung. da wurde auch schon mal in einer ruhigen gegend in einem neusser vorort ein ganze wohnung zur züchtung angemietet, und selbst eine ältere dame am niederrhein sagte ja zum rundum-sorglos paket in der liebevoll ausstaffierten mühle: aufbau des automatisierten indoorgewächshauses mit lampen, lüftung, bewässerung, elektroinstallation, lieferung der setzlinge, ernte – alles aus einer hand, quasi wie bei der hähnchenmast. und wie bei der ging das fertige produkt zurück nach westen oder wurde - wahrscheinlich eher seltener - von der deutschen polizei entdeckt.
ob die verschärfte gangart in den niederlanden erfolg haben wird – abwarten. welche auswirkungen sie für die nachbarländer haben wird – kaum abzusehen.
wer aber heute nach roosendaal in nordbrabant kommt kann nicht nur nicht mehr ins coffee-shop – die sind dort nämlich auch geschlossen. er erlebt auch eine neue seite der gastgeber. an den zufahrtstaßen stehen leuchtschrifttafeln. bislang stand dort ein willkommensgruß. heute heißt es: het gedogen is voorbij (die duldung ist vorbei), courage – und die steht für eine fast grimmige entschlossenheit.
das vj-projekt kampf dem hanf in den niederlanden ist noch kurze zeit in der wdr-mediathek zu sehen.
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Hallo,
AntwortenLöschenganz schön reisserisch der Artikel... "der hochgezüchtete Indische Hanf" .. blabla - nicht nur diese biologische Einteilung ist willkürlich, auch die Tendenz im Artikel.