Montag, 21. September 2009

kopje koffie, herr kommissar

es ist nicht mehr matjes, der in den niederlanden zur begrüßung gereicht wird, es ist das kopje koffie. meistens kommt es aus einem roten apparat, der ubiquitär ist zwischen den helder und heerlen und von einer großen rösterei übers land verteilt wird. aber der kaffee ist kostenlos; im supermarkt ebenso wie bei der polizei. und so wird auch der auf seine vernehmung wartende tatverdächtige irgendwie gast der behörde. abgesehen davon freuen sich die beamten über den service.



das ist mir aufgefallen, als ich zum ersten mal in die kerkrader polizeistation ging, um eine reportage über die arbeit des joint hit teams zu drehen, einer fahndungseinheit aus deutschen und niederländischen beamten. gegründet wurde sie 2006, als das polizeigesetz zwischen republik und königreich in kraft trat. kernaufgabe ist die ermittlung in drogensachen, festnahmen und sicherstellung. für den austausch von informationen bis auf die ebene der  sachbearbeiter und beschleunigte amtshilfe gibt es noch eine zweite einheit, die heißt epicc, sitzt in heerlen und zu ihr gehören auch belgische beamte.

weil dealer und kunden sich nicht um die offenen grenzen scheren, um zuständigkeiten und verzögerungen durch amtshilfeersuchen bei selbst so einfachen fragen wie "wem gehört der wagen da?" haben die staaten reagiert. deutsche beamte haben etwa im joint hit team auf dem boden des königrechs die gleichen rechte wie ihre niederländischen kollegen und können etwa direkt per handy in der leitstelle ihrer heimat-dienststelle in - sagen wir mal - aachen informationen abfragen. das geht natürlich auch andersrum (denn manchmal wechselt im dreiländereck der grenzverlauf alle paar meter in einer straße), das geht ohne besonderen anlass, ist schnell, unkompliziert, praktisch und damit unangenehm etwa für jene, die in eine kontrolle in kerkrade geraten und in kaufbeuren mit haftbefehl gesucht werden. das passiert nicht jeden tag, kommt aber genau so vor.

der blick über die grenze weitet aber auch den blick; in diesem fall nicht nur weil er in der region ungehindert über flaches land streift. in der kostenlosen tasse kaffee steckt ein system, das zumindest ist mein eindruck. denn es geht auf eine unterschwellige weise freundlich zu. der bürger sieht in der polizei nicht die obrigkeit sondern eher den dienstleister - und der versteht sich auch eher so.

die beamten - ob joint hit team oder reguläre polizei - handeln abstrakt im sinn und konkret im auftrag der bürger. stadtverwaltung oder bürgermeister legen mit staatsanwaltschaft und polizei die aufgaben fest. so wie etwa in maastricht, wo ich eine razzia gegen drogendealer begleitete. dadurch entsteht ein anderes verständnis und verhältnis. es wirkte auf mich im umgang freundlicher und verbindlicher; der niederländer hat nicht erstmal ein schlechtes gewissen, wenn er der obrigkeit begegnet, sondern tut dies auf augenhöhe.

zudem steht zwischen staatsgewalt und bürger ein strenges recht. bevor etwa eine wohnung durchsucht werden darf, muß ein untersuchungsrichter zustimmen. selbst bei gefahr in verzug und dringendem tatverdacht darf die polizei die situation nur "einfrieren", wie das heißt, nicht aber schon drogen oder andere fragwürdige gegenstände beschlagnahmen, selbst wenn sie offen herumliegen. bis zum beschluss warten die beamten - im zweifel lädt sie dann ein (ob des einsatzes etwa gegen den drogendealer, der in seiner wohnung hanf zieht und verkauft) froher nachbar zum kopje koffie.

und in einem weiteren punkt neben dem radio im dienstwagen (deutsche beamte müßten rundfunkgebühren bezahlen und haben daher keins) sind die unterschiede fundamental: wenn deutsche behörden von einer straftat erfahren müssen sie ermitteln - koste es - im wörtlichen sinn - was es wolle. in den niederlanden ist dieses legalitätsprinzip durch das opportunitätsprinzip ersetzt. ermittelt wird nur, wenn es sinn macht und der aufwand in einem verhältnis zur straftat steht. wenn nicht - dann nicht. das macht es nicht immer einfacher für opfer, ist aber ein pragmatischer ansatz. in der folge kann das effizientere ermittlungsarbeit mit geringerer vergeudung von ressourcen bedeuten. damit hätte dann auch der bürger etwas davon: vielleicht wird nicht der fahrraddieb geschnappt aber dafür der serien-einbrecher, weil sich - getreu des polizeimottos: wenn wir dürfen, wie wir können, kriegen wir jeden - die beamten nicht noch mit dem unlösbaren aufhalten müssen.

aber noch etwas soll polizeiarbeit auf das wesentliche konzentrieren. der vorgang heißt proces-verbaal und wird etwa so erklärt: een proces-verbaal is de akte waarmee een overheidsambtenaar verslag uitbrengt over wat hij in de uitoefening van zijn functies heeft verricht. übersetzt bedeutet das: staatsdiener erklären schriftlich im proces-verbaal was sie im laufe eines verfahrens so angestellt haben (einem verkehrssünder wird auch ein proces-verbaal gemacht, das ist nicht eine mündliche verwarnung sondern endet dann mit einem strafzettel). erkenntnisse, ermittlungen, einsatz - all das beschreibt die polizei im proces-verbaal-protokoll. ein teil aber ist auch eine standardisierte vernehmung - ein festgelegter fragenkatalog für jede straftat, für tatverdächtige und zeugen. ist der abgearbeitet und sind auch sonst alle formulare fertig gibt die polizei die akten an den staatsanwalt ab (der übrigens wesentlich früher das verfahren begleitet; im fall der razzia in maastricht war er schon an der vorbereitung beteiligt)und hat mit dem rest nichts mehr zu tun. unmittelbarkeit der beweisaufnahme nach deutscher strafprozeßordnung heißt für deutsche polizeibeamte: aussagen im prozess. niederländische polizisten müssen das nicht. nachfragen der staatsanwaltschaft oder eines gerichts werden beantwortet in einem weiteren - genau - proces-verbaal.

alles golden in oranje? sicher nicht, aber eben irgendwie interessant und anders. auch in diesem punkt: vor jedem größeren einsatz gibt es auf kosten der dienststelle kuchen, erzählten mir beamte. in maastricht allerdings nicht aus den niederlanden sondern - und das ausdruck echter kennerschaft - aus einer belgischen patisserie im nachbarort. dazu - natürlich - ein kopje koffie; das aber wieder ganz national.

die wdr-fernsehreportage ist auf den seiten von einslive. zu sehen.

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