Dienstag, 14. Juli 2009

ein bißchen ulbricht

es war vor ziemlich genau einem jahr, als ich zum ersten mal auf dem hotelbalkon am griebnitzsee saß und dutzende spaziergänger sah, die unter mir auf dem von babelsberger villen gesäumten uferweg flanierten. ein paar läufer waren auch dabei, aber damals... nun ja. jetzt allerdings wollte ich auch den milden sommerabend für eine kurze runde nutzen und lief die paar stufen runter zum see, dann am ufer entlang der sinkenden sonne entgegen. nach rund 100 metern aber endete der weg an einem zaun, einer tür und hinterließ mich ratlos. das hindernis reicht bis zum see, wo ein weißer metallstern zudem verhindert, dass sich jemand um den zaunpfosten windet.

ich dachte nach. die barriere konnte eigentlich nicht da sein. schließlich hatte ich die ganzen fußgänger vor einem jahr nur einmal gesehen. hätten sie den zaun besichtigen wollen, hätten sie nach kurzer zeit wieder an mir vorbeikommen müssen, da zwischen zaun und hotel kein weg nach oben zur straße führt. das taten sie aber nicht (und so attraktiv, dass sie zur sehenswürdigkeit taugen würde, ist die barriere nun auch nicht). also müssen sie, damals und bevor etwas bislang unerklärtes geschah, am seeufer entlang weiter richtung schloß babelsberg gelaufen sein. das wollte ich eigentlich auch, mußte aber umkehren und verpasste gedankenschwer den aufstieg zur straße. kurze zeit später aber hatte ich ein zweites ankommen; diesmal an einem kleinen stück jener mauer, die ost und west getrennt und auch am griebnitzsee gestanden hatte; ziemlich genau übrigens da, wo heute der uferweg entlangführt wo er noch entlangführt.

technisch betrachtet

es sind nur ein paar mauerlemente, beschrieben mit graffiti, ein einfaches, mannshohes kreuz und die namen von menschen, die in dieser gegend bei dem versuch der flucht aus der ddr getötet wurden, auf einer tafel. ich blieb stehen und blickte den weg zurück. da stand ich nun also an einem mahnmal der teilung und des todes und ein paar hundert meter weiter westlich – westlich! - stand nun der zaun. technisch betrachtet erfüllt er den gleichen zweck wie die mauer. allerdings kann jeder, der hierher kommt, durch das gitter hindurchsehen und sieht so das unerreichbare (es sei denn, der kerl am zaun würde von den eigentümern auf der anderen seite eingeladen und würde dann auch da hingehen; aber so dringend ist es dann vielleicht doch nicht).

eine kollegin aus potsdam erzählte auf meine frage beim mittagessen am nächsten tag, was da geschehen war, von dem streit um den uferweg, von sträuchern die gepflanzt, zäunen, deren pfeiler einbetoniert, weg-abschnitten die umgegraben, rasenflächen die ausgerollt würden, von protesten und sicherheitskräften, die die grundstücke dann verteidigten. ein paar zeitungsartikel und andere dokumente fand ich im internet. es geschah wahrhaft wunderliches am ufer des griebnitzsees; etwa im juni 2009.

der norddeutsche rundfunk hatte vom technischen hilfswerk einen siebzig meter langen steg aufs wasser legen lassen, über dem spaziergänger, läufer - und aktivisten wohl auch - den gesperrten rasenflächen zwischen den offenen teilen des wegs ausweichen und an ungewohnter stelle am ufer entlanglaufen konnten. gleichzeitig blieb privates gewahrt. der eigentümer habe jemanden als zwerg beschimpft, auf seinem zugang zum see bestanden, darauf, dass seinem boot für einen ausflug platz gemacht und die geschlossene ponton-reihe geöffnet wird. nachbarn berichten, so die märkische allgemeine zeitung, dass nicht nur benzin für den schiffsmotor habe geholt werden müssen, sondern auch jemand, der das boot fahren konnte; beides erklärlich, denn dieses, so berichten sie weiter, sei in den letzten zehn jahren nicht einmal bewegt worden.

der fremde nun sieht letztlich nur das ergebnis, das ist sein privilig, und so bleibt sein urteil klar, eindeutig und ungetrübt von den ganzen „ja-abers“ des vorangegangenen diskurses (dieses privileg hat aber auch seinen preis, denn ihm, dem fremden, sind so auch dinge von gehobenem unterhaltungswert entgangen, wie etwa die um wenige wochen verpasste ponton-situation). und so ist mir denn, als schreibe sich am südufer des griebnitzsees deutsche geschichte fort, als hätten die neuen besitzer eine pontonbrücke in den lauf der zeit gelegt, eine kurze nach-wende-freies-ufer-episode wird beendet; denn es zwingt sich der vergleich mit den fast 30 jahren nach dem august 1961 auf.

pah, mag der gescholtene villenbesitzer sagen und darauf verweisen, dass er ja nichts dafür könne, dass sein haus auf so geschichtsgetränktem boden steht. dem könnte man entgegenhalten, dass sich hier wenige – die eigentümer der seegrundstücke – bereichern, denn sie steigern den wert ihres grunds durch den direkten zugang zum see, indem sie vielen – genaugenommen dem rest der menschheit - etwas wegnehmen, nämlich eben diesen. geschmacklos ist das an dieser stelle zudem, aber darüber läßt sich nun mal nicht streiten.

an diesem abend lief ich also ein stück am ufer, dann wieder die straße zum hotel und weiter; als ich dann aber kurz hinter dem villengrundstück mit dem zaun in die karl-marx-straße einbog konnte ich nicht anders als einmal, aber wirklich nur einmal, laut aufzulachen. nun, wahrscheinlich feiert in dem „runter von meinem rasen“ nur spießigkeit triumphe; ein bißchen ulbricht steckt wohl in jedem.

informationen zur ponton-aktion fand ich in der märkischen allgemeinen zeitung

wie alles anfing und ablief beschreibt aus ihrer sicht die bürgerinitiative hier

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