bei anne will am sonntagabend hatte seine miene schon angespannt gewirkt. noch schien bundesärztekammerpräsident jörg-dietrich hoppe aber beherrschter als kv-nordrhein-chef leonhard hansen. der litt sichtlich unter der buhmann-rolle wegen seines praxisgeld-vorschlags. gestern aber, zur eröffnung des ärztetags in mainz, brach der sturm los. soviel harsche und härteste kritik am leitgänger der ärzteschaft - die rationierungs- und priorisierungsidee der medizinischen versorgung durchzuhalten, da bedarf es nun schon einer titanischen bräsigkeit. aufhorchen läßt aber auch das schweigen zweier starker stimmen und eine kleine meldung in der tagespresse.
"grauenvoll" und "völlig absurd"
ulrich weigeldt ist chef des deutschen hausärzteverbands (die kommen übrigens bei der honorarreform schlecht weg). er sagte der frankfurter rundschau, die diskussion diene der vernebelung, um nicht über fehlerhafte strukturen reden zu müssen. hoppes rede beim ärztetag sei "grauenvoll" gewesen. die vereinigung der demokratischen ärztinnen und ärzte (noch ein verband) hält die vorschläge laut berliner zeitung für "völlig absurd". wulf dietrich, geschäftsführender vorstand sagte demnach: "wir setzen doppelt so viele herzkatheter ein wie unserer europäischen nachbarn, wir haben mehr knieoperationen und mehr rückenoperationen, ohne dass erklärbar ist warum."
"beleidigung der anständigen"
arbeitgeber und deutscher gewerkschaftsbund schreiten seit an seit: eine "beleidigung der anständigen ärzteschaft" sei die forderung, sagte dgb-vorstandsmitglied annelie buntenbach und dieter hundt wird im handelsblatt konkreter: statt "immer mehr geld ins gesundheitssystem zu pumpen" müßten die zur verfügung stehenden mittel effizienter eingesetzt, ambulante und stationäre versorgung besser abgestimmt und wettbewerb gestärkt werden. florian lanz vom spitzenverband der krankenkassen meint, nach zehn prozent honorarplus sei die forderung nach leistungskürzungen und zuzahlungen ausdruck von geldgier.
honorar, verordnet
der spd-gesundheitsexperte karl lauterbach regte eine staatliche festlegung der ärzte-honorare wie bei architekten an, um unter-, über- und fehlversorgung wirksam anzugehen. bundesgesundheitsstaatssekretär klaus theo schröder erinnerte an die beteiligung der ärzte am schlamassel: die verwerfungen im neuen honorarsystem müsse deren selbstverwaltung auch lösen.
wer hat geschwiegen? eben!
damit haben wir die ärzte, politiker, krankenkassen und irgendwie - mit dem dgb für die arbeitnehmer und hundt für die arbeitgeber - auch die beitragszahler gehört. ("die patienten" gibt es leider nicht, denn wer soll für wen sprechen und wer steht hinter welchen verbänden, das grundproblem im system).
das sind ja ganz schön viele, mag mancher denken - aber zwei fehlen: pharma-industrie und apotheker; die sind sonst nicht um stellungnahmen verlegen, warum also hört man von ihnen nichts? höflichkeit gegenüber einem geschäftspartner? das ist eine - vielleicht auch unwahrscheinliche - erklärung. eine andere fand ich in einer einspaltigen meldung der tageszeitung: "apothekenketten in deutschland weiter verboten", stand da. der europäische gerichtshof (eugh: aktenzeichen C-171/07 und C-172/07) hat die strengen bedingungen zum betrieb einer apotheke bestätigt und damit "einem preiskampf" zwischen herkömmlichen apotheken und ketten wie doc-morris einen riegel vorgeschoben. die krankenkassen ärgert das, heißt es; so manchen patienten wohl auch.
hintergrund ist der streit um das "gesetz über das apothekenwesen" oder "apothekengesetz - apog". da wird schon im ersten abschnitt klargestellt, dass die erlaubnis zum betreiben einer apotheke nur für den approbierten apotheker gilt, der auch im lizensierten laden hinter der theke steht; der darf zudem maximal drei filialen betreiben. bei doc morris aber wären die betreiber angestellte, nicht der mensch, dem die erlaubnis persönlich erteilt wurde. und nun, da alle über die womöglich wildgewordenen ärzte reden, rauscht eher ruhig die sicherung des apotheken-monopols einfach so mit durch und keiner - bislang - der seufzt.
so schön kann artenschutz sein.
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