...leiden ist ein option“, zitiert haruki murakami einen ungenannten amerikanischen läufer. diese worte, schreibt der japanische schriftsteller, habe der mann seinem bruder als ein art mantra für die langen distanzen mitgegeben. murakami, selbst läufer, schreibt weiter, dieser satz umreisse den „hauptaspekt des marathons“: da keiner der qual entgehen kann bleibt jedem nur die entscheidung, ob er sie ertragen will oder nicht.
nun, ich laufe auch, längst nicht soviel und so weit wie murakami, aber ich laufe und ich lese vom laufen und anderen läufern und da bleiben solche sätze natürlich hängen. ohne einen marathon gelaufen zu sein oder auch nur ernsthafte gedanken daran zu haben, dachte ich auf einer neuen runde so etwa ab kilometer neun nach einer ungeplanten, annähernd zwei kilometer langen verirrung (der ersten und längsten von – trotz streckenplanung und karte - dreien ; man könnte mich in einer einbahnstraße aussetzen und ich würde mich verlaufen) länger über die worte und murakamis schlußfolgerung nach, dass dem unvermeidlichen nur entgehen könne, wer das langstreckenlaufen ganz läßt; sonst hatte ich ja nichts zu tun.
die zweite verirrung
interessanterweise konnte ich, als es wirklich schlammig und steil wurde (die zweite verirrung) mit dem satz durch direkte ansprache günstig auf die befindlichkeit meiner schwerer werdenden beine einfluss nehmen, die sorge vor einem stolpern über äste oder steine durch gelassenheit austauschen und die füsse sicher setzen.
an dieser stelle muss ich anmerken, dass meine größte bewunderung für den schriftsteller murakami um die für den läufer gewachsen ist, nachdem ich sein buch "wovon ich rede, wenn ich vom laufen rede" gelesen hatte. es ist von anderer qualität als "mein langer lauf zu mir selbst" von joschka fischer und das in zweifacher hinsicht - literarisch und sportlich. aber lassen wir das und kommen zurück zu dem finalen satz vom schmerz und der leidensoption.
die dritte verirrung
da ich weder marathon- noch ultra-läufer bin sind meine erfahrungen sicher unbedeutend. dennoch lieh ich mir diesen satz, der mich gepackt hatte, machte ihn mir zu eigen und da, so bei kilometer 12 (die dritte verirrung), wieder bergauf und durch die tiefen furchen schwerer forstfahrzeuge, kam mir ein gedanke, den ich in aller bescheidenheit als eine mögliche interpretation in die diskussion einbringen möchte: wenn es gelingt, das unvermeidliche als teil der aufgabe zu begreifen, dann gibt es die option, schmerzen und anstrengungen anzunehmen, ohne zu leiden. so wie etwa niederlagen im spiel einen nicht geringen teil des reizes ausmachen, und das spiel für den nicht mehr spiel ist, sondern etwas anderes wird, der immer gewinnt.
am ende seines buches schreibt murakami: „mit den jahren, in denen ich einen wettkampf nach dem anderen absolviere, werde ich am ende einen ort erreichen, an dem ich zufrieden bin. oder vielleicht erhasche ich ja auch nur einen blick darauf.“
befreiende läuterung
was er nun wieder damit meint, davon bekam ich eine ahnung nach fast 20 kilometern, rund 340 höhenmetern bergab und 340 metern bergauf und einer zweiten, verblüffenden erfahrung. dank der länge des laufs drang ich in den hinteren teil der playlist meines mp3-spielers vor und zu einem bislang ungehörten titel aus dem album "22 dreams" von paul weller. ob er auch läufer ist weiß ich nicht, aber er lieferte eine stimmige aussage zum thema, die mich über die letzten meter trug: kurz, treffend und von schlichter schönheit: shalalallalaa.
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