Dienstag, 31. März 2009

tod nach hühnersuppe

„es ist die eigentliche gefahr des menschen zu versimpeln.“

ein wort an dem ich hängenblieb, ein zitat, heute gehört im autoradio. die sonne schien, der verkehr war lau und die gedanken frei: versimpeln - im englischen als make oder keep it simple nur etwas vereinfachen, etwas einfach oder verständlich halten; im deutschen aber kamen mir noch andere bedeutungen in den sinn: komplexere zusammenhänge auf das naheliegende reduzieren, nicht mehr wahrnehmen oder gar erkennen können, sich am banalen abarbeiten, das schwierige meiden, erwartbar sein, in der konsequenz desinteresse, banausentum, arroganz. woran man eben so denkt, im frühling beim autofahren.

beim starten des internetbrowsers hatte ich denn auch einen vielleicht etwas bizarren blick auf das, was heute offenbar so wichtig ist, dass es auf der startseite des providers steht: razzien gegen heimattreue deutsche jugend, aus für krieg gegen terror, kreisliga-spiel: tod nach kollaps, prinz williams fliegt jetzt holzklasse, richardsons letzte stunden, briatore beschimpft brawn als banditen, zahl der arbeitslosen im märz gestiegen, warum hühnersuppe gesund ist, grand prix 2009: melodien für moskau, fernsehen in neuer dimension erleben.

nun gibt es sicher gute gründe für all diese informationen und links und sicher erfüllt klatsch wichtige soziale funktionen; doch in meiner momentanen verfassung frage ich mich, wie viel zeit aufgewendet wird, um diese beiträge zu lesen, im fernsehen anzusehen oder im radio zu hören; und wie viel zeit bleibt dann noch für andere themen, die vielleicht komplexer sind als autos, die im kreis fahren, nicht so bewegend und gruselig wie ein möglicher myokardinfarkt und auf den ersten blick weniger mit meinem leben zu tun haben, als ein rezept für die zubereitung von geflügel? und wenn ich so vieles so appetitlich und einfach haben kann – wie viel mühe bin ich dann bereit mir zu machen, für schwierigeres, kantigeres, für das, was in diffusen strukturen vielleicht stärker in mein leben eindringt und es durchdringt und drängt, als dass versprechen, mit einem neuen browser keine email mehr zu verpassen (wobei ich die nachricht ja ohnehin nicht verpassen sondern nur später wahrnehmen würde)? und wenn das alles so ist, mit all den ablenkungen und bequemlichkeiten und vereinfachungen - wer hat etwas davon, dass ich so bin?

der eingangs zitierte satz stammt übrigens von christian morgenstern, in der sendung zeitzeichen auf wdr5 porträtiert. im gleichen text schrieb der dichter vom "grundhang, das leben zu einer biedermeierei zu erniedrigen“. mag sein, dass morgenstern das auch heute noch sagen würde, da das private triumphiert und schwierige zeiten uns sehnen machen nach dem einfachen, selbst wenn es als www daherkommt. aber 95 jahre nach seinem tod - wer weiss das schon?

den hörfunk-beitrag gibt es bis zum 29. April hier

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