Dienstag, 7. April 2009

uiuiui II und ein warum

für den einsatz der französischen polizei gegen die clowns in straßburg, so erfuhr ich am samstag bei der internationalen demonstration in kehl, gibt es eine rechtsgrundlage – zumindest in deutschland. es handelt sich um eine verordnung zu der kundgebung, die einer der koordinatoren vor beginn von einer bühne verkündete. Danach sind „pantomimische handlungen nur in einem abstand von 1,5 metern von den polizisten zulässig“, insbesondere solche mit „staubwedeln und“, sagte er mit wohlgesetzter pause, „klobürsten“. so, verkündete er den hörbar amüsierten demonstranten, stünde es in der verordnung.

es gab keine solchen aktionen in kehl also auch keine gegenmassnahmen. Es gab keine prügeleien, steinwürfe, festnahmen, verletzte, keine eingeworfenen schreiben und keine brennenden häuser und die im fernsehen von einer straßburgerin gestellte frage, warum es in frankreich dazu kam, ein paar hundert meter weiter aber, auf der anderen, der deutschen rheinseite nicht, diese frage stellte ich mir auch.

für eine fernsehsendung hatte ich eine von der partei die linke organisierte zugfahrt von etwa 800 demonstranten nach kehl begleitet. schon am bahnhof empfingen polizeieinheiten die friedensaktivisten; ältere, jüngere, linke, parteilose, deutsche, kurdische, türkische. die kleine gruppe der linksjugend aus dortmund, hatte sich die telefonnummern von rechtsbeistand, legal-team in deutschland und frankreich auf die unterarme geschrieben, falls die polizei ihnen taschen oder auch die handys wegnimmt. eigentlich eine klare sache - sie hier, die dort.

schließlich standen sie sich gegenüber, die etwa 6000 menschen im demonstrationszug, und einige züge der insgesamt 16000 polizisten, so die offiziellen angaben, die in diesem einsatzabschnitt eingeteilt waren. auf der europabrücke nach straßburg standen mindestens ebenso viele beamte. helme, schilder, protektoren. standen hinter drei wasserwerfern - deren rohre zeigten richtung frankreich; die trupps hatten sich hinter ihnen aufgebaut. demonstranten aus frankreich sollten am überqueren der brücke gehindert werden; eine wacht am rhein - irgendwie das falsche bild, fand ich, an diesem tag der großen bilder und ausholenden gesten.

auf der anderen seite

es hatte in straßburg ausschreitungen und verletzte gegeben. nachrichten, die über die lautsprecher auf dem wagen des organisationskomitees verkündet wurden und unruhe schufen. einige schwarz gekleidete junge demonstranten skandierten ein hoch auf die internationale solidarität, alle gemeinsam "1,2,3 - gebt die brücke frei", doch die beamten blieben stehen.

eine polizistin in zivil sprach mit sehr angenehmer stimme von der bislang friedlich verlaufenen demonstration und dass es doch gut wäre, wenn es so bliebe, sie erzählte vom stand der gespräche zwischen polizei-einsatzleitung und verhandlungsgruppe der demonstranten, die ja immer noch nach straßburg wollten. aus den lautsprechern der demonstranten kam die aufforderung an die polizei, der genehmigten demonstration platz zu machen für den weg über die genehmigte strecke. beamte in zivil mit westen, auf denen konfliktmanagment stand sprachen mit aufgebrachten menschen..

dann stieg die rauchsäule aus der in straßburg brennenden ehemaligen zollstation auf. es war klar, dass nun niemand mehr über die brücke durfte; "zur eigenen sicherheit", wie ein sprecher der deutschen polizei mir später sagte. das haus brannte lange, es brannte sogar sehr lange, vielleicht sogar auffällig lange, ohne dass gelöscht wurde. in einem zeitungsartikel las ich später, dass es ohnehin abgerissen werden sollte. nun, eine zollstation passt ja auch wirklich nicht mehr in die zeit des geeinten europa.

falsch, ganz falsch

der deutsche demonstrationszug wurde zurückgeleitet. rechts abbiegen zum ausgangspunkt statt links über die brücke. kurz sah es aus, als würde aus dem geschiebe und gedrücke an der spitze doch gewalt, aber es geschah nichts. einige demonstranten gingen, die meisten blieben. sie setzten sich nach einiger zeit auf die straße, die polizisten mußten stehen.

es war warm, es war in der sonne sogar heiß und es kam mir einen moment lang albern vor: warum, dachte ich, demonstrieren sie nicht da, wo sie es können, veranstalten eine kundgebung wo sie es dürfen und gehen dann nach hause, bevor irgendjemand auf welcher seite auch immer verletzt wird? dann aber wurde mir klar, warum dieser pragmatische ansatz wenn nicht sogar falsch so zumindest nicht angemessen war. mit den beamten aus hessen, schleswig-holstein, nordrhein-westfalen und sonstwoher und den demonstranten aus baden-württemberg, nordrhein-westfalen und sonstwoher standen sich zwei rechtspositionen gegenüber.

wer vermeintlich einsichtig und vielleicht sogar schnell nachgibt, gibt etwas auf - das grundrecht auf versammlungsfreiheit und freiheit der meinungsäußerung, das demonstrationsrecht in zeitlicher und örtlicher nähe zum objekt des widerspruchs sind ebenso bedeutend wie der polizeiliche auftrag, die innere sicherheit zu gewährleisten und gefahren abzuwehren.


beide seiten verteidigten da - das vielleicht sogar ein paradoxon der demokratie - ebendiese. und je länger sie sich friedlich gegenüberstanden, umso größer erschien mir der erfolg, für beide seiten. wahrscheinlich sind es solche widersprüche, die nie aufzulösen sein werden, die aber ausgehalten werden müssen und an denen sogar etwas wächst.

zwischen wasserwerfer und staubwedel

als dieses beharren andauerte, ging ich ans rheinufer, filmte den brand, die rauchsäule auf der anderen seite des flusses, die boote und hubschrauber, die deutschen polizisten, die nach frankreich vorrückten, der wasserwerfer, der schließlich begann, das zollgebäude zu löschen. immer noch saßen demonstranten in dieser zeit vor der polizeiabsperrung, auf der ladefläche eines lieferwagens hatte eine improvisierte kundgebung begonnen. die reihen waren lichter, die polizei entspannter, die helme abgesetzt.

kurz vor sechs machten sich die jungen leute aus nordrhein-westfalen auf den rückweg. die nummern der rechtsanwälte hatten sie nicht gebraucht und sie waren zufrieden, denn sie haben ihren standpunkt bezogen, auch wenn sie der polizei den vorwurf machen, sie behindert zu haben. kein stein war geflogen, niemand wurde festgenommen, kein clown mit tränengas eingenebelt

warum das so war, die antwort auf die frage der französin - mag sein, dass sie irgendwo zwischen wasserwerfer und staubwedel liegt.

den fernsehbeitrag gibt es hier zu sehen

bilder eingefügt am 14. april 09

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