Freitag, 24. April 2009

hinter dunklen eingängen

es gibt in meinem beruf momente der dunkelheit. wir gelangen hinter sonst verschlossene türen, sind dabei, wenn andere längst gegangen sind, sehen zu, wenn andere die augen schließen; wir erfahren details, die wir verschweigen müssen, die zu kennen aber wichtig ist um zusammenhänge zu verstehen, motive. oft wissen wir, welche bilder uns an einem drehort erwarten, manchmal nicht und manchmal kommen die bilder zu uns.

einen solches bild sah ich in der vergangenen woche: ein junge spiegelt sich in der nahaufnahme der iris eines mannes, weinen ist zu hören. diese kurze sequenz fand ich im archivmaterial beim schnitt eines beitrags zum thema kinderpornographie.

fünf internetprovider sperren freiwillig die seiten mit solchen inhalten; am mittwoch beschloss das bundeskabinett, dieser maßnahme einen gesetzlichen rahmen zu geben. niemand wird also künftig zufällig auf eine solche seite kommen, niemand der aus kruder neugier diese bilder sucht sie ohne umwege problemlos finden. das ist gut, denn opferschützer wie ursula enders von zartbitter in köln haben mir erzählt von der fortgesetzten traumatisierung der opfer, wenn sie wissen, dass die bilder ihrer qual immer wieder betrachtet werden und niemals komplett gelöscht werden können.

was wird verhindert?

wird aber auch nur eine vergewaltigung, eine misshandlung verhindert, weil der deutsche "markt" zusammengebrochen ist? daran zweifeln auch vertreter der ermittlungsbehörden, mit denen ich sprach. pädokriminelle tauschen ihre bilder und filme nicht im www sondern in konspirativen tauschbörsen, zu denen sie ihre computer vernetzen. diese strukturen aufzubrechen und hintermänner bis zu denen, die vor den kameras mißhandeln zu ermitteln - da bedarf es komplexer internationaler polizeiarbeit.

so warnen denn auch kinderschützerinnen wie julia von weiler von innocence in danger, die ich für den beitrag interviewte: diese entscheidung, sagt sie, ist ein schritt, aber sie gibt das falsche signal, wenn sie als erfolg im kampf gegen kindesmißbrauch mißverstanden wird, wenn sie der öffentlichkeit das gefühl vermittelt, es sei ja nun etwas getan, prima, nächstes thema.

einfach nur zu einfach

kann man es aber nicht auch so sehen: der staat macht es sich zu einfach, er kapituliert. statt fahndungabteilungen personell und technisch adäquat auszurüsten, die straftaten zu verfolgen, die server ausfindig zu machen und stillzulegen, werden verbotsschilder aufgestellt, dunkle eingänge zugemauert - aber die strasse ist gefegt, die fassaden sind gestrichen, schön, nicht!? was im hinterhof geschieht - wer sieht noch hin?

es ist ähnlich wie beim rauschgift-handel auf dem spielplatz. dealer und käufer werden aus dem blickfeld verdrängt, das "subjektive sicherheitsgefühl des bürgers" (ein begriff aus der polizei-praxis) wächst, alle sind zufrieden. gedealt wird weiterhin, aber niemand sieht`s. schöne erscheinung am rand: die statistik wird viel besser, denn fälle von drogenhandel gibt es nur noch, wenn die polizei gezielt ermittelt. aus der augenfälligen straftat, die jeder beobachtete und die die polizei verfolgen muß, wurde ein sogenanntes kontrolldelikt. so, das befürchten einige, geht es auch mit der kinderpornographie.

etwas anderes aber wird erreicht: erstmals wird ein instrument der zensur in deutschland zugelassen. es könnte kaum bitterer sein, aber auf die gleiche weise wie die deutschen internetprovider kinderpornographie, sperren chinesische zensurbehörden die seiten tibetischer aktivisten, von amnesty international oder der ausländischen presse.

und wie nun weiter?

der vergleich könnte politisch kaum inkorrekter sein und doch muß man es vergleichen denn beides geschieht auf der im jeweiligen staat gültigen rechtsgrundlage; und die unterliegt - hier sogar noch mehr als in fernost und wenn der begriff unserer repräsentativen demokratie geziemt - der mode..

nun, da das tabu gebrochen ist, könnten begehrlichkeiten geweckt werden. man könnte ja auch ganz andere internetseiten sperren im kampf gegen den terror, gegen fremdenfeindlichkeit, gegen gegner der freiheitlich demokratischen grundordnung, gegner der regierung... hoppla!
es bedarf nur einer kampagne, einer stimmung, einer mehrheit und schon wird die grenze neu gezogen. zu pessimistisch? hoffentlich.

das bild des kindes auf der iris eines mannes, die spiegelung eines computerbildschirms - nach meinem ersten schrecken sah ich, dass es ein kollege war. darauf angesprochen sagte er mir, das er diese szene mit einer harmlosen privaten video-sequenz inszeniert hatte, das weinen kam vom band.

so einfach sind die lösungen aber nicht immer


der beitrag in der aktuellen stunde ist hier zu sehen.

zu den betreffenden seiten des bundesfamilienministeriums geht es hier

eine ausführliche und vielschichtige dokumentation von spiegel.de gibt es hier

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen