Mittwoch, 8. Juli 2009

michael und anderes

was genau da geschehen ist zwischen dem tag, an dem michael jackson starb und dem tag der trauerfeier - darüber mögen sich andere, klügere menschen gedanken machen. auch habe ich zu wenig gesehen von der trauerfeier und von dem bißchen ist mir hauptsächlich der moment in erinnerung, in dem seine tochter an das mikrofon trat und sich in ihrer trauer ein paar sätze entrang, die kommentatoren als den bewegendsten, aufrichtigsten moment bezeichnen könnten. der schmerz des kindes berührte auch mich, allerdings war mein impuls umschalten, denn wenn ich dem menschen nicht helfen kann, dann glaube ich auch nicht das recht zu besitzen, seine pein im fernsehen zu betrachten.

synchron geschaltet

aber das waren die letzten minuten. während die trauerfeier zuvor lief, saß ich im auto. im radio lief ein feature über progressive, soziale bewegungen in den usa nach der wahl obamas, ihre enttäuschungen, hoffnungen und perspektiven. auch hier wurden gegen ende die sätze gesprochen, die besonders haften blieben. es ging um die medien in den usa, rückläufige auflagen der zeitungen, titel die ganz verschwinden oder sich ins www zurückziehen, um oligopole bei den elektronischen medien, die, statt informationen mühsam und teuer zuschauer-, leser- oder hörergerecht aufzuarbeiten, teilweise weniger nachrichten sendeten als eine latenight show, deren namen ich schon wieder vergessen habe. und es ging - das sage nun ich - um die synchronisierung der öffentlichen meinung.

letztere geschieht fast zwangsläufig, es bedarf keines politischen plans, denn gesendet oder gedruckt wird, was aussicht auf interesse hat, auf messbaren erfolg und das sind die themen, die allgemein interessieren oder von denen die redaktionen glauben, dass sie das tun. da es aber immer weniger in ihrer publizistischen haltung unterschiedliche anbieter gibt, gleichen sich die veröffentlichten inhalte an und generieren eine öffentliche meinung, die weitgehend einheitlich ist. das funktioniert in den usa nach den gleichen betriebswirtschaftlichen gesetzen wie bei uns.

reine kopfsache

vor dem plenarsaal des bayerischen landtags stand im vergangenen jahr (und ich habe keinen anlass zu glauben, dass es heute anders ist) ein gut gefüllter zeitungsständer. aus der erinnerung schätze ich, dass etwa vierzig regionalzeitungstitel in den fächern des drehgestells steckten - aber ich sah maximal zehn unterschiedliche layouts; ein verlag brachte es auf mindestens zwölf sogenannte kopfblätter. so heissen die zeitungen aus einem haus, bei denen sich nur die lokalteile und der titel unterscheiden; seite 1, politik, nachrichten, feuilleton, service und überregionaler sport kommen aus zentralredaktionen. dass ich den bayerischen landtag erwähne ist zufall, ich sah den ständer bei einer produktion in münchen; in den landtagen anderer flächenländer sieht es sicher kaum anders aus.

so erreicht denn der kommentator des hauses nicht mehr nur - sagen wir mal - 100 000 leser wie vor zwanzig jahren, sondern dank der presse-konzentration und der nutzung der synergieeffekte heute eine million (ähnliche reichweiten hatten in deutschland nur die meinungsbildenden der sed-bezirkszeitungen in der ddr). das muß nicht schlimm sein; aber schlimm ist, dass innerhalb des verbreitungsgebiets keine alternative zu dieser einen stimme existiert, keine andere nachrichtenauswahl und keine andere gewichtung der themen.

wie entscheidet wer?

und damit sind wir wieder bei michael jackson: vor die wahl gestellt, drei stunden (oder waren es mehr) sondersendung sowie vielleicht fünf sonderseiten über die trauerfeier zu produzieren oder eine halbe stunde und eine seite über (nur mal so zum spaß:) die sozialenzyklika von papst benedikt XVI. - welche entscheidung fällt? und was wird eingeschaltet oder gelesen?

allerdings keimt in mir schon lange der verdacht, dass bei dieser art des blatt- oder sendungsmachens leser und zuschauer auf so leichtfertige weise unterschätzt werden, dass die sich einfach achselzuckend abwenden. vielleicht fällt es menschen, die in wirtschaftlich schwierige situationen geraten, auch besonders leicht, eine tageszeitung abzubestellen, die nicht mehr informationen bietet als tv-nachrichtenmagazine und der morgendliche hörfunk (mir ist es tatsächlich einmal passiert, dass eine hörfunksprecherin wort für wort den text vortrug, den ich in diesem moment las. zeitungs- und radio-redaktion hatten den denselben beitrag einer nachrichtenagentur verwendet; es war gespenstisch). kostenlose anzeigenblätter mit lokalteil erledigen dann den rest.

ob wirklich etwas anderes so viel wichtiger gewesen wäre, als die trauerfeier für den toten superstar? das mag jeder für sich entscheiden. von all dem hype ist zumindest bei mir kaum mehr geblieben, als jener beschriebene, bedrückende moment. andere dinge aber dauern an, haben nachhaltige wirkung. vielleicht liest man von denen dann in den wochenzeitungen. deren auflagen - interessanterweise und wie ich meine sicher nicht nur wegen der "die zeit"-lesenden lehrer - sind übrigens stabil.



die entwicklung der auflagen unterschiedlicher medien ermittelt die ivw

der wirklich sehr interessante beitrag "die obama-welle - ernüchterung nach dem rausch?" des deutschlandfunks vom 7. juli 2009 sollte bald im archiv von "das feature" abrufbar sein.

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